Kiezkommunen (Interview)

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Kiezkommunen (Interview)

DuvarYazisi.org-Interview mit Kommunard:innen der Kiezkommune Wedding (KKW) und der Jugendkommune‚ Kreuzberg United (KU) in Berlin

DY: Was ist die Grundidee der KK bzw. welche Quellen dienen euch als Inspiration?

KU: Ich will zunächst die Motivation, wie überhaupt die Idee entwickelt wurde, beschreiben. Es war die Einsicht, dass wir eine revolutionäre Linke in Deutschland haben, die weit davon entfernt ist, eine Bewegung zu sein. Und die relativ verfahren ist, in einer Situation, in der sie sich von der Gesellschaft isoliert und die tatsächlichen Probleme der Menschen kaum noch mitbekommt, sondern eher so ein bisschen in einer Art Distinktionshaltung, einer Abgrenzung, Politik macht. Die gar nicht mehr wirklich in die Masse geht und wenn sie das versucht, einigermaßen entfremdet ist von dieser Masse, die sie ja eigentlich als Subjekt ihrer Politik begreifen möchte. Die Grundidee ist, damit zu brechen und die Szene – oder genauer: die Linke als Szene – aufzuheben und einen Grundstein zu legen für eine wieder revolutionäre Bewegung in Deutschland. Der Ansatz ist also Basisarbeit, die tatsächlich Gegenmacht ermöglicht für einen revolutionären Kampf.

Zu den Inspirationsquellen: Ganz besonders ist es natürlich – auch namentlich – die Pariser Commune, wo sich die Bevölkerung vom Joch der Herrschaft befreit hat, wo sie die Dinge in die eigene Hand genommen hat. Bei der Entwicklung der Idee gab es aber auch positive Bezüge in Richtung Kurdistan, zu den spanischen AnarchistInnen in den 30er Jahren und den italienischen Autonomen, die zwischenzeitlich auch versucht haben, im Hier und Jetzt schon Gegenmacht über Organisierung der Arbeiter:innen in Räten aufzubauen. Im Wesentlichen ist aber die kommunistische Rätebewegung ein starker Anknüpfungspunkt. Und ich glaube, die Inspiration, die in Deutschland natürlich viele bewegt hat, war tatsächlich der Bezug nach Kurdistan. Das war für viele Deutsche hierzulande zuletzt ein Hoffnungsschimmer. Zu sehen: „Es ist auch möglich, die Sachen selber in die Hand zu nehmen“, verstärkt das Gefühl, dass ein Rütteln an den bestehenden Machtstrukturen möglich ist. Das war, glaube ich, ein Motivationsschub.

KKW: Eine weitere und sehr wichtige Inspiration und Quelle für uns ist die Politik von Dev-Yol, wozu wir ja auch gemeinsam eine Bildung gemacht haben. Sie haben Widerstandkomitees gegründet, um eine gesellschaftliche Selbstermächtigung anzustoßen, aber dabei nicht in den Fehler verfallen sind, sich selbst schon für die Kommune zu halten. Davon abgeleitet haben die Kiezkommunen auch für uns eine doppelte Funktion, einerseits als Kampforganisation über Aktionen und Kampagnen bereits stattfindende Kämpfe zu stärken und zu erweitern und dabei gleichzeitig im Ansatz gewisse Alternativen aufzuzeigen, wie Gesellschaft anders funktionieren könnte, wie Menschen gemeinsam anders leben können. Wir bauen darüber eine Kraft auf, die das Potential hat in den bestehenden Verhältnissen der Individualisierung, Frustration und Verzweiflung über eine gesellschaftsfähige Politik im Alltag von Menschen intervenieren und diese Verhältnisse gemeinsam überwinden zu können. Dadurch erschaffen wir eine lokale Verankerung in der Nachbarschaft und bringen gleichzeitig eine Kontinuität und Langfristigkeit in bestehende Kämpfe, die sonst immer und immer wieder angegriffen und zerschlagen werden.

Ich glaube, wir machen immer noch viel zu häufig den Fehler, als erstes mit einem Flyer bei Menschen in die Tür reinzufallen und alle direkt zu Aktivist:innen machen zu wollen, statt erstmal diesen, so banal es klingt, Beziehungsaufbau zusammen zu gestalten. Und das ist kein Widerspruch an sich, aber oft überspringen wir dieses Fundamentale und gehen direkt über zu Flyern, Demos, und Aktionen und wundern uns immer wo denn die Menschen bleiben, die wir ja eigentlich erreichen wollen.

KU: An der Frage von Komitee oder Kommune würde ich gerne noch anschließen. Ich glaube, das ist auch etwas, was wir in den letzten Jahren, erst für uns selbst klarer bekommen haben. Dass in Deutschland viel zu schnell das Missverständnis entsteht, wenn man über Gegenmacht, Strukturen, die irgendwie wirkmächtig sein wollen, sofort von Selbstverwaltung spricht. Da gerät schnell einiges durcheinander. Es wird oft kurzgeschlossen und gedacht, man könnte sich jetzt schon irgendeinen Raum nehmen und gleich loslegen, sich selbst zu verwalten. Die Kommune oder das Projekt, was wir mit den Kiezkommunen als Kommitees in den Nachbarschaften verfolgen, hat hingegen vielmehr den vom Genossen bereits erwähnten Doppelcharakter: Zum einen bauen wir Strukturen auf, die irgendwie wirkmächtig sein sollen und wir wollen auch im Hier und Jetzt schon irgendwie eine Veränderung und eine Organisierung der Gesellschaft herstellen. Aber gleichzeitig dürfen wir dabei nicht Gegenmacht mit Selbstverwaltung verwechseln. Den historischen Punkt, an dem wir wirklich von Selbstverwaltung sprechen können, müssen wir uns erkämpfen. Es ist eine Gleichzeitigkeit: Den Zeitpunkt erkämpfen, an dem wir tatsächlich endlich als Bevölkerung und als Klasse die Macht in unsere Hand nehmen, aber wir müssen nicht bis zu diesem Punkt warten, um wirkmächtige Strukturen zu schaffen.

Was wir uns heute also insgesamt davon versprechen, ist im Wesentlichen zu überwinden, dass die Linke so eine Nische einnimmt in Deutschland. Eine Szene in der man sich lifestylemäßig ein paar Jahre bewegt – wenn man es ernst meint, bleibt man sehr lange darin gefangen. Man ist dann aber in Teilbereichskämpfen verloren und wird schnell frustriert. Ich habe in der Generation meiner Eltern zum Beispiel unglaublich viele ältere Linke beobachten können. Die haben sich ihr Leben lang als irgendwie links verstanden und das Leben war auch für einige immer ein Kampf. Aber am Ende resignieren sie, weil es sie nicht gibt, die vielversprechende revolutionäre Bewegung, die Kraft gibt, weiterzumachen. Und wir versprechen uns davon, tatsächlich wieder in die Masse zu gehen und die Massen für den revolutionären Kampf zu begeistern und ihnen auch das Verständnis mitzugeben, dass das auch das ganze Leben sein kann. Dass es mehr sein kann, als immer nur dann und wann zu einer Demo gehen oder sich mal intensiv in einer Kampagne aufrauchen und dann zurückfallen und sich wieder zurückziehen. Dass wir Strukturen aufbauen wollen, die bleiben und die Leute langfristig einbinden.

DY: Danke. Grundlegende Ideen wurden schon genannt. Jetzt gehen wir auf konkretere Fragen ein. Könnt ihr mal kurz erzählen, seit wann es euch gibt und seit wann generell die Kiezkommunen in Berlin oder auch in Deutschland existieren? Und wie hat sich die jeweilige Kiezkommune entwickelt und wie seid ihr strukturiert?

KU: Ich würde sagen, seit drei, vier Jahren gibt es den Prozess der Kiezkommune. In Berlin hatte es angefangen, zunächst Kreuzberg und Neukölln gebündelt. Die haben sich dann später, als sie groß genug wurden, getrennt, was gut war. Kreuzberg und Neukölln – das ist ein riesen Gebiet in Berlin. Und langfristig sollte es natürlich darauf hinauslaufen, dass man sich immer weiter aufgruppiert, um tatsächlich Nachbarschaften adäquat erreichen zu können und in einem Komitee vereinigen zu können. Wir haben mittlerweile den Wedding dazugewonnen. Im Wedding hat sich auch eine Frauenkommune als autonome Struktur gebildet, die aber durchaus sehr eng zusammengelegt ist mit der Kiezkommune. Da kann der Genosse mehr zu sagen, wie es genau in Wedding aussieht. Wir haben in Lichtenberg eine Kommune. Wir haben vor einigen Jahren auch Genoss*innen in Magdeburg-Stadtfeld, einem Arbeiterviertel, davon begeistern können, sich diesem Konzept anzuschließen. Und wir als Jugendliche in Kreuzberg haben gemerkt, dass wir unsere Jugendarbeit, die wir bis dato gemacht hatten, als relativ unbefriedigend und unverbindlich empfunden haben. Weil wir organisiert waren in irgendwelchen berlinweiten Bündnissen und Jugendgruppen und tatsächlich aber auch immer nur mit stereotypen Antifa-Jugendlichen gearbeitet haben, die sozusagen schon Aktivist*innen sind, wir den Zugang aber zu den jungen Leuten darüber hinaus nicht hatten. Wir haben deswegen das Pilotprojekt gestartet, als eine Jugendkommune, Jugendliche auf der Kiezbasis und mit dem niederschwelligen Anspruch, anzusprechen. Uns gibt es nun auch schon seit zwei Jahren.

Vielleicht sag ich kurz was zu unseren Aktivitäten, bevor ich weiter reiche: Bei der Jugend haben wir als erstes etwas analysiert, womit sehen wir uns konfrontiert, wenn wir Jugendliche ansprechen wollen? Schnell war klar: Konkurrenz macht uns alles Mögliche an Angeboten (kommerzielle Angebote in der Regel), denen Jugendliche ihre Zeit widmen können. Ob Hedonismus, also Party, Drogen, Alkohol und Konsum. Und eben die Dinge, zu denen sie gezwungen sind. Das ist tatsächlich die Lebensrealität von vielen Jugendlichen. Damit müssen wir konkurrieren. Aber wir wollen nicht auf derselben Ebene konkurrieren und haben deswegen gebrochen damit, was viele Jugendgruppen machen: Solipartys, Kneipen, Tresen und so weiter und haben überlegt, wir müssen Jugendliche anders ansprechen können. Deswegen lief das zu Anfang eher über Jugend-Cafés. Wir hatten am Sonntag immer den Kiezladen offen. Die Jugendlichen konnten vorbeikommen. Wir haben zusammen gegessen, Kaffee getrunken, gegrillt, Gespräche geführt, vielleicht kleine Workshops gemacht. Da hat uns Corona leider einen Strich durch die Rechnung gemacht und wir müssen uns jetzt neu aufstellen, was Präsenzangebote angeht. Ein anderes Standbein, das wir uns aufgebaut haben, ist Kampfsport anzubieten für Jugendliche, weil das zum einen einfach niedrigschwellig sehr zugänglich ist. Wir haben ihn sogar so eingerichtet, dass wir ihn je nach persönlicher Lage auch kostenlos anbieten können. Zum anderen ist es auch besser, Jugendliche mit Möglichkeiten zum Sport und kampfsportlicher Fähigkeit auszustatten als nur mit einer hohen Toleranz gegenüber Alkohol. Und es ist Gemeinschaft stiftend und wir vermissen es, dass wir das gerade nicht machen können. Das war aber sehr erfolgreich. Wir möchten gerne die Jugend über den Kiez ansprechen, dort wo sie leben. Das ist auch oft besonders eine Frage des Auftretens. Wir müssen natürlich bei der Generation auch viel übers Internet gehen und über soziale Netzwerke. Wir wollen die aber nicht dazu nutzen, um dort einen Raum zu schaffen, also einen politischen Raum im Internet, sondern es soll vielmehr darum gehen, sie über die sozialen Netzwerke anzusprechen. Das heißt, sie da abzuholen, wo sie nun mal einfach de facto sind. Aber eben auch sie dahin zu holen, wo sie noch nicht sind. Und das ist zunächst auf Vertrauensbasis locker im Umfeld und später enger in politischen Strukturen eingebunden.

KKW: Im Wedding haben vor vier Jahren drei oder vier Leute von uns angefangen, sehr niedrigschwellig die Nachbarschaft kennenzulernen und sind in den anliegenden Vereinen vorbeigegangen. Von Anfang an waren sie an der Kiezzeitung Plumpe beteiligt, die ein sehr wichtiges Projekt mit anderen Gruppen aus dem Wedding ist. Mittlerweile sind wir so um die 40 Kommunard:innen. Die Frauenkommune und die Kiezkommune haben mittlerweile eine gemeinsame Vollversammlung und gemeinsame Kommissionen. Bis Ende letzten Jahres waren wir noch nicht in Kommissionen aufgeteilt, aber mittlerweile arbeiten wir in Kommission zu den Themen Kultur+Soziales, Wohnen, Gewalt gegen Frauen, Bildung+Geschichte und Gesundheit. Alle Kommissionen haben eigene Aktionen, aber natürlich werden viele Projekte auch miteinander geplant und durchgeführt und dabei auch mit anderen Gruppen und Inis im Wedding zusammengearbeitet.

Im Wedding haben wir keine Jugendkommune, vielleicht kommt das noch, aber dementsprechend haben wir eher eine andere Zielgruppe, Analysen und Angebote. Ich kann einfach mal ganz konkret paar Sachen aufzählen, die wir momentan machen: Wir machen regelmäßig intern gemeinsame Abende und Bildungen zu verschiedensten Themen; beim letzten Kälteeinbruch haben wir eine Klamottensammlung und -ausgabe organisiert, die im Kiez auch wirklich viele Menschen erreicht hat; eine Essensausgabe und Kieztouren mit der Berliner Obdachlosenhilfe und Menschen von Trans*Sexworks; in der Wohnkommission planen wir eine Kampagne gegen die Samwer-Brüder, die die Uferhallen aufgekauft haben; verschiedene Aktionen zum Mietendeckel und Vergesellschaftung von Wohnraum; ganz wichtig ist auch die Zusammenarbeit mit Migrantifa im Wedding, in der antifaschistische Kiezspaziergänge zusammen durchgeführt werden und gerade neue Beziehungen entstehen.

DY: Das sind ja schonmal sehr konkrete Informationen und Aktivitäten, die ihr durchführt. Und viele weitere Ideen und Visionen existieren auch. Eine weitere Frage wäre: Welches Potenzial steckt in den Kiezkommunen? Vielleicht könnt ihr auch was zu den Menschen sagen, zu ihren Potenzialen. Also was bringen sie, v.a. die sich schon als Kommunard*inenn verstehen und Teil des Kampfes sind, mit?

KKW: Was für mich persönlich einer der ausschlaggebenden Gründe war, Teil der Kiezkommunen zu werden, ist die Aufteilung der alltäglichen Arbeit in Lebensbereichen. Man kann sich – ich sag mal klassisch – in die Bereiche Feminismus, Antira, Antifa und Arbeitskämpfe aufteilen oder innerhalb der Stadtteilarbeit den Fokus drauf legen, dass man sich nach alltäglichen Lebensbereichen wie Wohnen, Kultur, Gesundheit und – als ganz, ganz fundamentaler Teil, aber wahrscheinlich auch eine der schwierigsten Bereiche – Ökonomie auszurichten. Ich hab manchmal das Gefühl, dass wir zu sehr in analytischen Kategorien hängenbleiben und danach unsere Politik ausrichten. Egal ob man eine Wohnungskampagne macht oder in Kämpfen um Gesundheit, am Arbeitsplatz oder gegen Abschiebungen involviert ist: wenn man die alle nicht antirassistisch, feministisch und klassenkämpferisch führt, dann verstehe ich nicht ganz den Zweck. Oder andersherum gesagt, dann macht man halt innerhalb der Stadtteilarbeit nicht linke revolutionäre Politik und es ist schon von vornherein stark angelegt, vom System vereinnahmt zu werden, zerschlagen zu werden, in Reformen abzudriften. Natürlich hört sich das immer alles sehr schön auf dem Papier an, wie die gelebte Wirklichkeit in Gruppen und Organisationen ist, das ist natürlich nochmal eine andere Sache.

Du hast nach den Kommunard:innen im Wedding gefragt. Ich vermute mal wie bei 99 Prozent linker Gruppen sind wir hauptsächlich 20- bis 35-Jährige, die vor allem aus der Uni kommen oder sind und in der linken Szene sozialisiert wurden. In Relation zu den Menschen die im Wedding leben, sind wir leider nicht repräsentativ für den Kiez. Gleichzeitig würde ich das aber nicht einfach abstempeln als „da sind jetzt nur Weiße und die sind alle an der Uni“ und immer wieder in der Frage zu versinken, wo denn die Migrant:innen und Arbeiter:innen sind? Denn abgesehen davon, das einige von uns in der Struktur Migrations- und Fluchtgeschichten haben, sind wir alle aufgrund der Klassenstrukturen natürlich auch Teil der arbeitenden Bevölkerung und müssen wieder lernen, uns als Teil der Arbeiterklasse zu verstehen. Wir müssen eine Politik entwickeln, über die wir Menschen erreichen und organisieren können, die halt eben nicht den selben Hintergrund haben und aus dem linken Milieu kommen. Es ist ein Prozess, eine Entwicklung und es ist notwendig, das im Auge zu haben. Es ist einfach wichtig eine gemeinsame Perspektive aufzubauen und die muss man in konkreten Aktionen, in gemeinsamen Analysen entwickeln, auch eine Fehlertoleranz miteinander haben und das einsehen und weiterentwickeln. Und ich glaube, das tun wir im Wedding und sind da auf einem guten Weg.

KU: An das, was der Genosse gerade zu Anfang gesagt hat, würde ich gerne anschließen. Ich glaube, man muss im Kopf haben: Auch wir müssen erst wieder lernen, von diesen festgefahrenen Strukturen, die sich in der Linken durchgesetzt haben, wegzukommen. Auch wir denken immer nur in einer Abgrenzung der Themenbereiche in Anti-Rassismus, dann gibt es noch Antisexismus oder feministische Kämpfe und außerdem ist da noch irgendetwas mit Klasse. Und das ganze in schön komplizierter Form. Dass aber wir damit schon unglaublich hohe Hürden setzen – wir setzen viel Verständnis und gewisse theoretische Vorbildung voraus, wenn wir die Leute damit ansprechen möchten – das merken wir gar nicht. Und wir verkennen gleichzeitig, dass die Menschen nicht in solchen getrennten Systemen leben und entweder Opfer von Sexismus sind oder von Rassismus oder von der ökonomischen Unterdrückung. Sie sind ja mit all dem konfrontiert. Und da, wo sie leben, fällt all das zusammen und wir brauchen das gar nicht immer so künstlich aufsplitten, sondern wir müssen vielmehr tatsächlich in das Leben der Menschen gehen. Und dann kann man gucken, wie teilt man das für die Praxis auf. Ich finde, dass ihr das im Wedding sehr gut macht. Und genauso müssen wir und das muss uns nur klar sein, dass wir uns in einem Prozess befinden, uns zu reflektieren, welche Erwartung haben wir denn an die Menschen, an die wir antreten. Und können wir die nicht runterschrauben, um die Leute tatsächlich abzuholen und nicht abzuschrecken, wenn wir auf sie zugehen. Wir können nicht erwarten, dass alle Leute schon Aktivist:innen sind, die wir ansprechen und wir nur uns mit Leuten zufrieden geben oder auch nur an Leute richten, die schon das sind, was wir gerne hätten. Und so arbeiten wir an uns selber, um auf die Leute zuzugehen und diese dann zunächst, so wie sie sind, zu nehmen und mit ihnen zusammen daran zu arbeiten, besser zu werden.

Ich gehe gerade schon zu eurer nächsten Frage über, die ja ist: „Wie geht ihr damit um, wenn Menschen z.B. schon konservative, rechte, nationalistische Einstellungen haben?“ Ich glaube, wichtig ist: Wir machen ja keine akzeptierende Jugendarbeit, wie es im Osten nach der Übernahme war, wo man die Nazis in den Jugendzentren akzeptiert hat, wie sie sind. Weil da könnten sie ja auch nix für und dann dürften sie Nazis bleiben. Ich muss sagen, in Kreuzberg haben wir jetzt mit Nazis eigentlich nicht ganz so viel zu tun. Das ist nicht unser erstes Problem. Aber natürlich haben wir Menschen, die auch ideologisch vorgeprägt sind von dieser Gesellschaft. Und ich glaube, mit einer Offenheit auf diese Menschen zuzugehen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen, anstatt sich von ihnen abzugrenzen und zu verjagen – beispielsweise wenn sie einen Ausdruck nutzen, der uns nicht passt – statt ihnen zu erklären, weshalb und wieso man sich darüber Gedanken machen könnte. Das ist etwas, was wir als Linke wieder lernen müssen, denn das wurde lange verlernt, aktiv.

DY: Genau an der Stelle würde ich eigentlich weiter bohren. Persönlich finde ich es super toll, dass ihr diese Arbeit leistet. Aber könnte ihr vielleicht positive Beispiele nennen, wie ihr Jugendliche erreicht habt und durch offene Gespräche, die ihr geführt habt, doch beeinflusst habt oder sie politisiert habt oder sie zum Teil des Kampfes gemacht habt? Könnt ihr konkrete Beispiele nennen, wo die Jugendliche anfangen, ihre Einstellungen selbst in Frage zu stellen und anfangen selbstkritisch zu denken?

KU: Die Grundeinstellung ändert schon viel, also eine Zugewandtheit zu haben zu den Menschen, die man ja eigentlich ansprechen möchte. Und Verhaltensmuster ablegen, die sich in der linken Szene einfach schnell einem selber einschreiben. Ich glaube, die grundsätzliche Herangehensweise, mit den Menschen vielmehr ins Gespräch zu kommen und – wie der Genosse vorhin schon gesagt hat – nicht mit einem fertigen politischen Flyer als erstes auf die Menschen zuzugehen, sondern als erstes über ein Gespräch. Wie geht es euch? Wohnt ihr hier in der Gegend? Was macht ihr? Und was sind eure Probleme? Was sind eure Probleme im Kiez? Wie empfindet ihr die aktuelle Lage? Das ist eine ganz andere Herangehensweise, weil wir damit nicht voraussetzen, dass die Menschen schon die Linken sind, die wir haben wollen, sondern dass die Menschen, die Menschen sind, die hier wohnen und die Probleme haben, für die wir als Linke zumindest Antworten entwickeln können. Oder für die wir die Antworten natürlich in groben Zügen schon haben, die aber erst in Auseinandersetzung mit den Menschen in ihrem echten Leben konkret werden können. Ich glaube, das macht einen Unterschied.

Ein konkretes Beispiel vielleicht: Wenn wir zusammen Boxtraining machen, dann laden wir Leute dazu ein: Kommt doch mal! Und wir machen das ganze gezielt gemischt. Und es geht uns dann darum, vorsichtig und immer einfach klarzumachen: Es gibt hier keinen Grund, dass wir gegeneinander sind, sondern wir wollen zusammen trainieren und wollen zusammen lernen. Und wir wollen das auch so machen, dass sich alle hier wohlfühlen. Und das ist keine große Ansage, von wegen irgendwie „Macker hier nicht so rum, Alter“, sondern es ist vielmehr eine grundsätzliche Stimmung, die wir versuchen, da in diesem Training herzustellen und zu halten. Ein solidarisches Miteinander schaffen. Das ist noch sehr klein. Ich meine, damit hat man nicht viel verändert. Aber wir schaffen grundsätzlich Räume, in denen wir zu den Menschen eine ganz andere Grundhaltung haben als die, immer darauf zu warten, dass jetzt etwas Falsches kommt und dann geht man in Angriff über gegen die Person, mit der man eigentlich zusammenarbeiten möchte.

DY: Wir verlaufen die Begegnungen, Gespräche mit den Menschen in der Praxis? Gab es einen fruchtenden Austausch?


KKW: Wir müssen uns auch öfter vor Augen führen, wie wir uns selber entwickelt haben. Es ist ja nicht nur eine Frage von ein oder zwei Jahren, sondern eher Jahrzehnten und diese Entwicklung ist auch nie abgeschlossen. Dementsprechend ist auch unser Fokus in der Stadtteilarbeit auf Beziehungsaufbau, als ersten notwendigen Schritt für Veränderung. Es setzt ja überhaupt erst die Möglichkeit, sich mit Leuten über Jahre hinweg gemeinsam entwickeln zu können. Aus diesem Grund würd ich auch bei Menschen, die zu uns in den Laden kommen, nicht als erstes anfangen, mit der Person darüber zu diskutieren, inwiefern sie irgendwie sexistisches oder rassistisches Denken hat oder versuchen ihnen den Kapitalismus zu erklären. Selbstverständlich ist das unsere Aufgabe, das in der alltäglichen Arbeit mit einfließen zu lassen und das gemeinsam zu verändern. Ich bin selber stark an der Uni geprägt worden und war es gewohnt, erstmal den moralischen Zeigefinger zu heben. Ich glaube aber, dass wir erst einmal uns selber ändern müssen, damit sich andere ändern können in dieser Gesellschaft. Und das schaffen wir auch nur, wenn wir das tatsächlich vorleben und dabei selber vor allem wieder erlernen, Menschen zuzuhören und von ihnen zu lernen.

Im Wedding sind wir jetzt nach vier Jahren ein bisschen bekannter im Kiez. Vor allem Im letzten halben Jahr merken wir immer mehr, dass Leute mit konkreten Problemen in den Laden kommen. Ob das jetzt, wie im letzten Jahr, Mieterhöhungen waren, ob wegen Zwangsräumungen, Übersetzungshilfen oder ob eine Preson auch einfach nur vorbeikommt, um mit uns einen Kaffee zu trinken und zu quatschen. Wenn auch noch recht sporadisch, nehmen die Menschen im Kiez uns immer mehr wahr und kommen direkt im Laden vorbei und fragen danach wann die nächste Plumpe wieder erscheint. Natürlich sind unsere Möglichkeiten tatsächlich zu helfen und Menschen zu organisieren, noch stark beschränkt. Aber ich denke, dass das alles Anknüpfungspunkte für uns sind, unsere Arbeit fortzuführen, eine gemeinsame Perspektive zu entwickeln und weiter in Richtung einer lokalen Gegenmacht auszubauen.

DY: Gibt es Ideen, wo jetzt absehbar die Corona-Einschränkungen langsam abgebaut werden, öffentlich in Form von Straßenfesten aufzutreten? Und gibt’s auch Ideen, die unterschiedlichen Kiezkommunen in Berlin stadtweit irgendwie sichtbar zu machen, in irgendeiner Form, durch irgendeine Aktion?


KKW: Im Wedding gibt es jährlich in der Buttmannstraße ein Straßenfest, wo wir auch beteiligt waren. Ich bin jetzt nicht in der Kommission Kultur und Soziales, aber ich gehe davon aus, dass das auch geplant ist und ein Sommerfest mit der Nachbarschaft und den Vereinen, die bei uns in der Straße sind, stattfinden wird. Die anderen Projekte, die ich genannt hatte, müssen sich halt entwickeln. Wir haben bald eine Vollversammlung, wo genau sowas besprochen werden muss, wo es sich zeigen wird, wie wir gemeinsam weitergehen können. Das wiederum ist ein Vorteil gegenüber anderen Strukturen, dass wir zweimal jährlich zusammenkommen, dass wir da manchmal besser, manchmal schlechter gemeinsam Strategien und Ziele entwickeln.


KU: Die Kommunen sind aber auch abseits der Vollversammlungen das ganze Jahr über miteinander koordiniert. Und das ist tatsächlich ein großer Vorteil. Das eine ist es, einfach nur Nachbarschaftsarbeit zu machen. Aber der Unterschied ist: Die Kiezkommune ist mehr als nur eine gut vernetzte Nachbarschaftsinitiative, sondern das ist alles ein Gesamtprozess, der durchaus miteinander abgestimmt ist, der einem gemeinsamen Konzept nacharbeitet. Und wo auch die Diskussionen über die Strategie in einer Hand geführt wird, sodass nicht jeder seins macht, sondern wir ziehen an einem Strang und können damit eine Stärke entwickeln, dass wir nicht isoliert voneinander in den Kämpfen unseres Kiezes irgendwie versanden, sondern uns als eins sehen. Und wir müssen tatsächlich das nächste Mal, wenn wir zusammenkommen, gucken wie es weiter miteinander geht, weil ja die Situation, die sich jetzt mit Corona ergeben hat, natürlich bei allen das Ganze verkompliziert hat. Wir werden sehen, wie wir zusammen voranschreiten.

DY: Ihr habt erzählt, dass ihr Vereine in der Nachbarschaf besucht habt. Wie waren die Dialoge und Gespräche, die ihr mit denen geführt habt?

KKW: Es gibt verschiedene Vereine in der Straße, mit denen wir auch Aktionen zusammen machen. Als ich bei der Kiezkommune Wedding angefangen habe, war ich mal mit beim einem syrischen Kulturverein bei ums um die Ecke. Und wir wollten die fragen, ob die bei einem Mieten-Picknick mitmachen. Und die konnten sich an uns nicht erinnern, bis ihm einfiel, dass wir schonmal zu Ramadan Iftar-Pakete verteilt hatten. Und schon war eine ganz andere Verbindung da. Also, da war eben nicht dieses „da kommen irgendwelche Linken, die mich zu irgendeinem Picknick einladen wollen”, sondern es war eben erst einmal die menschliche Beziehung da. Mittlerweile wird aus dem Verein heraus regelmäßig Artikel für die Kiezzeitung Plumpe geschrieben und zusammen gemeinsame Interviews geführt. Regelmäßig veranstalten ein kongolesischer und ein somalischer Verein ihre Treffen bei uns im Laden. Uns schräg gegenüber ist ein Kinder- und Jugendverein, die während Corona verschiedenste Probleme hatten und für Aktivitäten, wie Musik- oder Tanzunterricht, unsere Räume genutzt haben. Und regelmäßig veranstalten ein kongolesischer und ein somalischer Verein ihre Treffen bei uns im Laden.

Wir versuchen unseren Kiezladen so zu gestalten, dass er natürlich offen für alle ist, aber alle Personen und Menschen, die hier drin was machen, irgendeinen Bezug zur Nachbarschaft haben sollen. Es sollen nicht irgendwelche Lesekreise oder Plena von Gruppen stattfinden, die keinerlei Bezug zur Nachbarschaft haben, denn dadurch wiederholen wir immer wieder die Abkapselung vom Kiez und den Menschen, die hier wohnen und die wir erreichen wollen.


DY: Wie sind eure Vernetzungen mit anderen sozialpolitischen Teilkämpfen? Und wie werdet ihr von anderen linken Gruppen wahrgenommen?

KKW: In den aktuellen Kämpfen um Wohnraum haben wir Kontakt zu verschiedenen Inis und Hausgemeinschaften die akut bedroht sind und beim Volksentscheid „Deutsche Wohnen &Co enteignen“ unterstützen wir das Weddinger Kiezteam. Mit „Hände weg vom Wedding“, eine andere Gruppe die Stadtteilarbeit in Wedding machen, planen wir gemeinsame Aktionen und stehen im Austausch miteinander. Ein anderes Thema, das momentan einfach sehr wichtig ist, ist die Zusammenarbeit mit Migrantifa, an der beide Gruppen lernen und wachsen können. Das passiert immer mehr auch in den anderen Kommunen. Dann arbeiten wir mit der Berliner Obdachlosenhilfe und verschiedenen feministischen Gruppen im Wedding zusammen. Es gibt z.B. das Netzwerk gegen Feminizide, die in letzter Zeit öffentlich sichtbare Aktionen gemacht haben, u.a. geht es dabei um die Umbenennung des Nettelbeck-platzes in Widerstandsplatz.


KU: Also in Kreuzberg ist es tatsächlich ein kleines Problemchen, dass es ein starkes Überangebot gibt und das ist eine sehr unübersichtliche Lage hier. Es gibt viele Initiativen, die großteils aber dann doch sehr bürgerlich sind. Die Schwierigkeit, die wir durchaus noch haben, ist, dass wir uns nicht einfach einreihen dürfen in dieses Nebeneinanderher, sondern versuchen müssen, das zu durchbrechen und uns so ein bisschen weiter aufzustellen. Allerdings müssen wir als Jugend gucken, wo die Grenzen sind von dem, was wir leisten können, weil wir gerade die Leute ansprechen wollen, die sich in all dem, was es in Kreuzberg schon gibt, vielleicht noch nicht wiederfinden, weil sie sich als Jugendliche sich davon nicht angesprochen fühlen. Wir sind nicht so eng vernetzt bisher. Wir suchen die Nähe durchaus beidseitig mit der Migrantifa, die sich ja auch in Kreuzberg engagiert. Und über den Kampfsport versuchen wir mit dem Kiez-Sportverein mehr hineinzuwirken und uns da wechselseitig mehr zu bedingen. Ansonsten hat man natürlich viel Freundschaft zu Jugendgruppen in anderen Kiezen oder berlinweit und teilweise werden Bildungen zusammen abgehalten.

KKW: Bezüglich der Frage wie andere linke Gruppen uns wahrnehmen: Wenn ich mir einfach mal vor Augen führe, wie wir gewachsen sind in einer Zeit, in der die soziale Interaktion, das alltägliche Leben und das sozial-kulturelle Leben vom Staat wegen Corona massiv eingeschränkt wurde, spricht schon irgendwie für sich. Weil es da einfach nochmal so offensichtlicher geworden ist, wie notwendig es ist, in deinem Kiez, da wo du lebst mit deinen Nachbar:innen, mit den Menschen, die um dich herum leben, Beziehungen aufzubauen und sich gegenseitig helfen zu können. Aber wir sind ja nicht die ersten, die gerafft haben, dass Stadtteilarbeit und Basisarbeit notwendig ist. Es gibt auch viele andere Gruppen, die versuchen in diese Richtung zu gehen, ich kann die gar nicht alle aufzählen.

DY: Könnt ihr jetzt zum Schluss auf eure aktuellen Ideen und kurzfristigen bis mittelfristigen Ziele eingehen? Vielleicht mit konkreten Angaben, was ihr so plant und was vielleicht über das hinausgeht, was eh schon mehr oder weniger vorhanden ist.

KU: Also ich glaube das Kurz- und das Mittelfristige, das fällt einigermaßen zusammen. Als Jugend würden wir uns das Ziel setzen, tatsächlich dieses Konzept oder den Ansatz zum Laufen zu bringen. Es ist alles noch im Anlauf und es frustriert natürlich auch sehr schnell. Darauf darf man sich aber gar nicht zu sehr einlassen, weil man nun mal eh zu der Einsicht kommen wird, dass das einzig gangbare oder das Einzige mit Perspektive, der einzige Ansatz ist, der irgendwie eine Nachhaltigkeit verspricht. Trotzdem müssen wir natürlich immer noch auch rausfinden, wie Jugendarbeit in der Form funktionieren kann und wie wir in der Form Jugendliche organisieren. Und ich glaube, das eine ist natürlich, zu wachsen, mehr Junge anzusprechen, die auch aktiv werden wollen. Aber es kann nicht nur darum gehen, sich daran zu bemessen, wie groß der Kreis der Aktiven ist, sondern vielmehr wie groß ist der Kreis der Menschen, die wir im Umfeld haben oder die wir überhaupt sensibilisieren können und dazu anregen können, sich mit uns zusammen dem politischen Kampf anzuschließen. Ich glaube, was mittelfristiges Ziel ist, ist tatsächlich ein Beispiel dafür zu geben, dass man Jugend in dieser Form tatsächlich organisiert bekommt.

Und zwar mehr junge Menschen als nur die, die fünf Jahre Antifa-Arbeit machen wollen in einer Jugendantifa Gruppe mit einem komischen Kürzel und sich danach frustriert wieder der Karriere, die sie sich in der Zwischenzeit herstudiert haben, zuzuwenden. Wir wollen die Jugend im Kiez zusammenführen und als eine organisierte Jugend sich selbst verstehen zu lassen. Wie das konkret aussieht, das müssen wir auf dem Weg rausfinden und das können wir auch gar nicht vorgeben, sondern das müssen wir mit den Leuten zusammen rausfinden.

KKW: Ganz aktuell stellt sich uns und allen anderen auch natürlich die Frage, wie mit der jetzigen Corona-Situation umzugehen ist und vor allem wie wir da wieder herauskommen. Bei uns war leider im letzten Jahr ein gewisser Rückzug zu spüren. Es gab weniger Aktivität bedingt sowohl durch die gesellschaftlichen Möglichkeiten als auch durch die Kraft und Energie, die die Leute selber haben aktiv zu werden. Deshalb stellt sich gerade ganz konkret die Frage wie wir unsere Aktionen und Kampagnen gefestigt kriegen und mehr Kontinuität rein bringen können. Bei den Projekten, die ich eben als Beispiele unserer Arbeit genannt hatte, müssen wir untereinander mehr Verbindlichkeit herstellen, die ja dann erst dazu führen kann, auch mehr Menschen im Kiez zu erreichen und einzubinden. Wir haben jetzt mittlerweile einen ausreichend großen Kern an Kommunard*innen mit bis zu 40 Leuten, die tatsächlich gemeinsam im Kiez was erreichen können. Aber dafür braucht es noch mehr strukturelle Verbindlichkeit und Stabilität, um eine interne und nach außen gerichtete Politisierung und Veränderung erreichen zu können.

Und langfristig bin ich voll beim Genossen. Ich glaube, wir haben oft auch eine falsche Vorstellung von oder ein falsches Verhältnis zu Zeit. Ich wäre auch gerne heute der krasseste Revolutionär und würde morgen die Revolution erleben. Das wollen wir alle. Vielleicht geht es aber jetzt in der aktuellen gesellschaftlichen Situationen erst mal darum, einfach zu überlegen, woran es gerade fehlt. Und das sind genau diese Infrastrukturen, die wir weitergeben können, die überhaupt erst ermöglichen können, langfristige Kämpfe zu führen und Menschen sich nicht wieder ins Private zurückziehen und dann nicht doch die Karriere der Fokus wird. Dafür müssen wir eine lebendige Kultur schaffen, die nicht wie so oft in linken Strukturen lebensfeindlich ist und im Einklang mit dem Alltag und Bedürfnissen der Menschen im Kiez ist. Es gibt natürlich keine fertigen Antworten darauf, aber wir befinden uns in einem guten Prozess. Und für alle Kommunen gesprochen, besteht immer die Hoffnung und der Anspruch, mehr Kiezkommunen zu gründen. Nicht im Sinne von Hauptsache wir werden mehr, also rein quantitativ gesehen, aber natürlich ist das Konzept auch darauf ausgelegt und darauf angewiesen, dass perspektivisch in jedem Kiez Komitees und Kommunen entstehen.

DY: Vielen Dank euch beiden für das ausführliche und lehrreiche Interview. Wir wünschen euch als DuvarYazisi.org viel Erfolg bei euren so wichtigen Kiezkämpfen.